Die Corona-Krise hat den stationären Einzelhandel in Deutschland hart getroffen. Händler kämpfen mit Umsatzeinbrüchen, die ersten haben bereits Insolvenz beantragt. Eigentümer von Handelsimmobilien sehen sich deshalb immer häufiger mit Forderungen nach Mietstundungen bzw. -nachlässen konfrontiert. Wir haben mit Dr. Andreas Klubert, Geschäftsführer bei Realkon, darüber gesprochen, welche Lösungsansätze es beim Reizthema Mietzahlungen gibt und wie sein Maklerhaus dazu beitragen will, zu einem für beide Seiten akzeptablen Ergebnis zu kommen.
Herr Dr. Klubert, als Makler und Expansionsmanager für Handelsimmobilien führt Realkon auch in der jetzigen Krise viele Gespräche mit Einzelhändlern und Immobilieneigentümern. Was sind die Themen, die beide Seiten gerade besonders umtreiben?
Das Hauptproblem für beide Seiten war in den vergangenen Wochen die Unsicherheit, wie lange der Shutdown andauern wird. Nach den ersten Lockerungen hat sich diese Unsicherheit zwar etwas relativiert. Die Einzelhändler stehen aber immer noch vor dem Problem, dass ihre stationären Umsätze massiv eingebrochen sind – teilweise bis auf Null –, während laufende Kosten wie etwa Mieten weiter beglichen werden müssen. Die Eigentümer treibt v.a. die Sorge um, was mit ihren Mietern langfristig passiert. Wenn ein Mieter sein Geschäft wegen Insolvenz aufgeben muss, kann ich meine Ladenfläche dann heute überhaupt noch zu einer vernünftigen Miete neu vermieten?
Jetzt, wo die Beschränkungen nach und nach aufgehoben werden, ist die große Frage auch, ob und wie schnell die Kunden zurückkommen, und wann sich die Umsätze wieder auf ein Vor-Corona-Niveau heben. Auf der Basis dieser Umsätze wurden ja in der Vergangenheit Mietabschlüsse vollzogen.
Die Mieten machen in der Krise für Einzelhändler einen der größten Kostenpunkte aus. Einige Filialisten haben ihren Vermietern inzwischen angekündigt, ihre Miete wegen der Corona-bedingten Ladenschließungen vorerst nicht zu zahlen. Andere wollen mit ihren jeweiligen Vermietern eine individuelle Lösung aushandeln, stoßen aber nicht überall auf Entgegenkommen. Die Fronten sind vielerorts verhärtet. Wo sehen Sie trotzdem Möglichkeiten einer Annäherung zwischen den beiden Parteien?
Die Corona-Pandemie ist eine Ausnahmesituation, für die erst mal niemand etwas kann. Der bundesweit angeordnete Shutdown hat zusätzlich zu der allgemeinen Angst der Menschen vor der Viruserkrankung dazu geführt, dass viele Retailer nicht mehr genug Umsatz generieren können, um ihre Mieten zu bezahlen. Mietenstundung ist zwar ein Thema, das im Raum steht, führt aber am Ende dazu, dass der Mieter ein erhebliches Maß an Verpflichtungen hat. Viele der Umsätze, die jetzt ausfallen (z.B. die Frühjahrskollektion im Modehandel), können im Sommer nicht nachgeholt werden. In dieser Situation dann noch gestundete Mieten inklusive Stundungszins zurückzahlen zu müssen, wird für die meisten Einzelhändler nicht möglich sein.
Viele Immobilieneigentümer können aber auch nicht ohne Weiteres Mieten erlassen, da sie selbst starke Verpflichtungen haben oder Kredite bedienen müssen. Die aktuelle Rechtslage sieht außerdem vor, dass Mieten gezahlt werden müssen. Daher ist es vielen Vermietern sauer aufgestoßen, als ihnen von einigen großen Filialisten in anonym anmutenden
Serienbriefen mitgeteilt wurde, dass ab sofort keine Mieten mehr gezahlt werden. Die Eigentümer anzurufen und um individuelle Lösungsansätze zu bitten, wäre hier eindeutig der bessere Weg gewesen.
Wir haben in letzter Zeit viele Gespräche mit Retailern und Eigentümern geführt, die deutlich gemacht haben, dass in dieser Situation zwei Welten aufeinanderprallen. Daher haben wir für uns den Ansatz entwickelt, zwischen den Parteien zu vermitteln, um die Diskussion zu versachlichen. Wir bieten unseren Retailkunden z.B. an, dass wir für sie bzw. gemeinsam mit ihnen Gespräche mit ihren Vermietern führen. Den Eigentümern bieten wir an, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dabei achten wir darauf, die Probleme und Befindlichkeiten beider Seiten gleichwertig zu behandeln. Mit diesem Mediationsgedanken haben wir bereits erfolgreiche Gespräche geführt; für diverse Retailer haben wir so etwa Mietnachlässe erzielt, im Gegenzug haben die Händler dann z.B. ihren Mietvertrag um einige Monate verlängert. Bei all diesen Gesprächen ist uns am wichtigsten, dass ein Kompromiss gefunden wird, mit dem beide Seiten gut leben können.
Welche Möglichkeiten haben denn Mieter und Vermieter überhaupt bei der Anpassung von Mietverträgen, insbesondere von Bestandsmietverträgen?
Für Vermieter kann es z.B. interessant sein, ihren Mietern in der jetzigen Situation für einige Monate einen Nachlass zu gewähren, wenn der Retailer dafür seinen Vertrag frühzeitig verlängert bzw. seine Verlängerungsoption schon jetzt zieht. Eine andere Möglichkeit ist, dass Eigentümer ihren Mietern die Fläche für ein bis zwei Monate mietfrei überlassen. Bei Neuabschlüssen ist das bereits eine gängige Regelung – für die Zeit von der Vertragsunterzeichnung bis zur Eröffnung muss der Mieter dann keine Miete zahlen, da er in der Ausbauphase des Geschäftes noch keine Umsätze generiert. Wir denken, dass sich diese Regelung auch in der jetzigen Krise anwenden lässt. Dann würde der Mieter z.B. während der jetzigen Krise einige Monate lang keine Miete zahlen, im Gegenzug wird dieser Nachlass bei einer Vertragsverlängerung dann auf die neue Miete drauf gerechnet. Bei Vertragsverlängerungen könnte man außerdem eine Umsatzkomponente in die Verträge mit aufnehmen. So eine Klausel ist zwar bei Vermietern nicht so gerne gesehen; wir denken aber, dass so etwas immer mehr Einzug halten wird, auch bei Läden in Fußgängerzonen. Bei Neuabschlüssen könnte es außerdem künftig Usus werden, einen Passus für solche Fälle wie die jetzige Krise einzufügen, eine Art Seuchenpassus, um dann beim nächsten Mal besser gewappnet zu sein.
Viele Filialisten haben einen Investitionsstopp angekündigt, Expansionspläne liegen vielerorts auf Eis. Ist der Einzelhandels-Vermietungsmarkt durch die Corona-Krise vollständig zum Erliegen gekommen?
Dass der Markt vollständig zum Liegen gekommen ist, kann man so nicht sagen. Ein Großteil der Filialisten leidet aktuell unter einem erheblichen Kostendruck und fährt, wo möglich, seine Ausgaben herunter, sei es durch das Anmelden von Kurzarbeit oder durch einen Expansionsstopp. Es gibt aber auch jetzt noch Einzelhändler, die neue Flächen suchen. Wir haben z.B. in Hamburg gerade eine Fläche im Kaufmannshaus an einen ausländischen Schmuckhändler vermittelt, der Vertrag wurde während des Lockdowns unterzeichnet. Solche Filialisten sehen die Corona-Krise als eine kurzfristige Thematik an, die sich auf ihre längerfristig angelegten Expansionsziele nicht dramatisch auswirkt.
Der Großteil der Einzelhändler ist aber natürlich gerade sehr vorsichtig, was Neuanmietungen angeht. Besonders die Nachfrage von deutschen Retailern und Retailern, die bereits sehr präsent in den deutschen Städten sind, ist weggebrochen. Dadurch sind mehr Objekte am Markt, die für jemanden, der einen Markteintritt in Deutschland plant, durchaus Chancen bieten. Es gibt also auch in der jetzigen Krise noch ein paar Lichtblicke am Markt. Wir sind derzeit aktiv für einige Retailer auf der Suche nach konkreten Flächen.
Wie werden sich die Verwerfungen der Corona-Krise Ihrer Meinung nach langfristig auf das Konsumverhalten und den innerstädtischen Einzelhandel auswirken?
Wir bei Realkon wissen natürlich auch nicht, wie sich die Ängste der Menschen langfristig auf das Kaufverhalten auswirken werden. Wir glauben aber fest daran, dass es auch in Zukunft in den deutschen und europäischen Top-Städten nach wie vor Einzelhandel in guten Lagen geben wird. Die A-Lagen werden nicht verlieren. Um B-Lagen mache ich mir allerdings Sorgen, auch um die Gastronomie. Die Branche erfährt gerade wenig Unterstützung, dort wird das Hochfahren unter Hygieneauflagen viel schwieriger werden als im Einzelhandel.
Durch die Corona-Krise haben sich viele Entwicklungen beschleunigt. Bei einigen Firmen, die jetzt Insolvenz angemeldet haben, war das Konzept wohl schon vor Corona nicht mehr profitabel. Aber gemäß dem Spruch „Handel ist Wandel“ wird es auch in Zukunft Konzepte geben, die erfolgreich Handel in Deutschland treiben. Und sobald es einen Impfstoff gibt, hoffen wir, dass die Menschen schnell wieder zur Normalität zurückfinden werden. Trotz aller Unsicherheiten glaube ich, dass wir in eine leicht veränderte, aber doch positive Zukunft blicken können.